01.10.2017 Sonntag, Bhraka – Shree Kharka
Marcel’s Knien ging es besser, sodass wir Sonntag unseren Trek in Richtung Torong La fortsetzten. Von Bhraka aus wollten wir eigentlich einem Tagesausflug zum Ice Lake hoch machen. Um die Knie zu schonen, haben wir das aber gelassen, da es um die 1.100 Höhenmeter von Bhraka auf 4.600 m fast vier Stunden lang steil bergauf gegangen wäre, und danach eben auch genauso steil wieder runter. Hinsichtlich der Höhenakklimatisierung wäre es ein enormer Vorteil gewesen. Marcel war zwar wieder schmerzfrei, aber provozieren muss man es ja nun auch nicht. Also war der neue Plan, einen Umweg über den Tilicho Lake zu machen. Der See liegt zwar noch höher, nämlich auf knapp 5.000 m und gilt als der höchste See der Welt, ist aber keine Ein-Tagesetappe und somit konnten unsere Knie noch etwas regenerieren. Bergauf geht immer 😉 und man sagt, wenn man hier oben war und keine Probleme mit der Höhe hat, wird man auch bei der Passüberquerung keine Schwierigkeiten mehr haben.
Nach knapp 3 Stunden machen wir Pause in dem Örtchen Kangsaar. Hier gab es Knobi-Suppe und einen extrem leckeren Minztee mit frischen Minzblättern, die der Koch mal eben schnell hinter seiner Hütte hervorgezaubert hatte. Und hier trafen wir Dean, eine erstaunliche hawaianische Persönlichkeit. Wir sind ihm schon einmal begegnet, ich glaube irgendwo auf dem Weg zwischen Tanchok und Lower Pisang. Aufgefallen war er uns damals vor allem aufgrund seines Auftretens: völlig verlottert, mit einem gefühlt 100 Jahre altem Rucksack, und er selbst in einem stattlichen Alter. Allgemein war ich mehr als einmal beeindruckt über das sichtlich hohe Alter einiger Mitwanderer, die diesen doch nicht ganz unbeschwerlichen Weg auf sich nehmen. Wir saßen gerade beim Lunch, als Dean an uns vorbei ging und den Wasserbrunnen ansteuerte, von dem jede Lodge einen besitzt und der meist auch der einzige Wasserspender ist. Dean füllt seine kleine Plastikflasche auf, die ihrem Anschein nach auch schon bessere Zeiten gesehen hat, setzt an und trinkt. Ganz ohne Filter oder Micropur Forte oder ähnlichem. Für uns, die wir bis zu dem Zeitpunkt nur Flaschen kauften und uns noch nicht mal an Micropur heran trauten (das hat sich ab Bhraka drastisch geändert, ab da gab es fast nur noch Chlor 😉 war das natürlich ein total verrücktes Phänomen. Auf unsere Frage hin, ob er keine Bedenken habe, lachte er nur und meinte: „That’s the best water in the world! So Fresh and cold! “ Wir haben uns ja auch immer mehr getraut, da wir bald das Gefühl hatten, dass sich unser Körper so langsam an die anderen Umstände angepasst hat. Dean jedoch ist ein Weltenbummler und Überlebenskünstler, war schon mehrfach monatelang in Nepal und gefühlt auch sonst überall auf der Welt, sodass sein Magen sich bereits an alle möglichen Keime gewöhnt hat.
Nach der dreitägigen Zwangspause Blick nach vorne.
Mit der Sonne im Rücken.
Eigentlich war die Übernachtung in Kangsaar geplant, aber da Shree Kharka mit ca. 30 min unweit hiervon lag und uns ans als Schlafplatz empfohlen wurde, wanderten wir noch ein Stück weiter.
Das tägliche Aus- und Einpacken wird irgendwann zur Gewohnheit.
Die Toiletten irgendwie nicht 😉
Montag 02.10.2017, Shree Karka – Tilicho Lake Base Camp
Heute hatten wir ein kurzes Stück vor uns: wir ließen einen Teil unseres Gepäcks in der Lodge in Shree Karka, zu der wir morgen wieder zurückkehren sollten, und liefen knappe drei Stunden zum Tilicho Lake Base Camp.
Auf dem Weg kommen wir erstmals zu den Landslide Areas, von denen wir bereits gehört und gelesen hatten. Diese zwar relativ kurzen Abschnitte (ca. 30 Minuten) sehen schon von Weitem beunruhigend aus. Lange Zeit ging es einen sehr schmalen Pfad entlang, der streckenweise nicht mal mehr richtig vorhanden war, da zugeschüttet mit Geröll und Steinen. Schmal bedeutet zwischen 30 bis 50 cm breit. Nach oben geht es steil ewige Fels- und Steinwände hoch, nach unten öffnet sich ein gefühlt nicht endend wollender Abgrund. Das Gefälle beträgt sicher mehr als 60 %, gefühlt ist es senkrecht. Es ist ratsam, die Landslide Areas vor 11 Uhr zu durchqueren, da die Sonne die Steine erhitzt und diese dann langsam ins Rollen kommen können. Hinzu kommt, dass insbesondere gegen Mittag stärker werdender Wind aufkommt. Dann wird es noch gefährlicher, da durch den Wind noch mehr Steine und Geröll in Bewegung geraten können. Erschwerend hinzu kommen zwischendurch Stellen, an denen der kleine Pfad extrem steil hoch und gleich wieder runter geht. Man rutscht auch leicht mal dem Profil weg. Ich denke mir: vielleicht gleich auf dem Hintern runterrutschen? Allerdings ist meine Hose aus dünnem Stoff, also lasse ich es lieber. Immer wieder rufen Schilder dazu auf, vorsichtig zu gehen. An bestimmten Passagen raten Guides und andere Trekker, seinen Gang zu beschleunigen. Ich frage mich, was das bringen soll. Im Zweifel setzt man im Gehuddel erst recht einen falschen Tritt. Wenn da so eine Steinlawine anrollt entkommen wir ihr so oder so nicht, denken wir uns. Also nicht darüber nachdenken und weiter gehen, vor allem aber nicht nach unten schauen. Die Wahrscheinlichkeit, im Straßen – oder Flugverkehr sein Zeitliches zu segnen, ist immer noch sehr viel höher.
Landslide Area auf dem Weg zum Tilicho Base Camp.
Gut, dass wir schon mittags am Tilicho Base Camp ankamen. Bald nämlich füllte sich das Camp sehr schnell, und viele Trecker hatten nur noch einen Schlafplatz im Dining Room ergattern können. Was allerdings nicht heißt, dass wir über den gesamten Treck davon verschont blieben 😉 Den restlichen Nachmittag verbrachten wir damit, unseren täglichen Akklimatisierung-Walk zu gehen und die Aussicht zu genießen.
Herdentreiberin ;-).
Und wen haben wir auch hier nochmal getroffen? Dean! Nachdem er mit über stolzen 70 das letzte Mal beim Versuch, den Tilicho Lake zu erklimmen, angeblich einen Herzinfarkt erlitt und überstand, wollte er es nun erneut wissen. Ich glaube aber Dean ist auch ein ganz guter Story Teller 😉 Was von alledem stimmt und was nicht, womit er seine Tischnachbarn unterhält, muss wohl jeder für sich entscheiden. Ein wirklich verrückter Typ.
Dienstag, 3.10.2017 Tilicho Base Camp – Tilicho Lake – Shree Karka
Um vier Uhr morgens klingelte der Wecker. Mit Stirnlampen packten wir unsere Sachen zusammen und deponierten den Großteil im Dining Room, wie alle anderen auch. Zum Lake nehmen wir nur Wasser, Foto und Sonnencreme mit. Schnell frühstücken wir Omelette mit Chapati und stapfen durch die Dunkelheit – es ist fünf Uhr – dick eingepackt, denn es ist eisig kalt. Sehr schnell aber wird es durch den anstrengenden Anstieg warm. Unser Gang wird langsamer und der Atem schneller, da die Luft ist schon sehr dünn ist.
Morgenstund hat Gold im Mund.
Der steinige Weg nach oben zum Tilicho-Lake.
Serpentine über Serpentine geht es hoch zum Tilicho Lake. Ein Blick nach oben lässt uns aufseufzen: das sind bestimmt noch zwei bis drei Stunden. Man erkennt oben schon die vermeintliche Bergkuppe, dann wird es flacher, da muss der See ja dann liegen. Die Serpentinen sind etwas anstrengender, zudem gehen wir immer höher, Richtung 5000 er Grenze. Echte Probleme haben wir keine, aber man geht langsamer, schnauft mehr, und ist zu einem gleichmäßigen Rhythmus gezwungen. Jede kurze Beschleunigung wird mit leichtem Schwindel und Schnappatmung bestraft. Das Plateau ist erreicht, und dann das vernichtende Schild: Tilicho Lake 35 min. Am Ende war es natürlich fast eine Stunde.
Nach 4 Stunden nur Bergauf, darf frau sich auch mal setzen, auch wenn wir noch nicht ganz am Ziel sind.
Dieser See wollte und wollte einfach nicht kommen. Ich erinnerte mich an den Jakobsweg vor rund fünf Jahren beim Zieleinlauf in Santiago: man sah die Türme der Kathedrale, sie schienen zum Greifen nah, und es dauerte sicher noch drei Stunden Fußmarsch, bis wir sie dann endlich erreichten.
Und endlich tauchte er vor uns auf, eisblau und friedlich lag er in der mondähnlichen Landschaft.
Wir saßen eine Weile am Ufer, aßen eine seh leckere Garlic Soup, und machten Fotos. Natürlich auch mit Dean, der etwas nach uns ankam 🙂
Wegbegleiter aus aller Welt: ein Australier, dessen Namen wir leider vergessen haben, und Dean aus Hawaii.
Der Tilicho-Lake – mit 4919 m gilt er als der größte höchstgelegene See der Welt.
Es knackt und kracht überall, als sich ein paar Moränen lösen. Zum Glück sind wir weit genug entfernt.
Diana ist etwas verfroren, über die Handschuhe amüsiere ich mich noch heute 😀
Der Abstieg geht etwas schneller und unbeschwerlicher. Viele, die uns entgegenkommen, fragen, wie lange es noch hoch ist und wie wir uns fühlen. Stolz berichten wir. Erst jetzt fällt uns auf, wie viele Einheimische hier unterwegs sind, und vor allem, wie: teils haben sie Sandalen an und ein Outfit wie für einen Sonntagsspaziergang. 😉 Viele von ihnen haben ganze Knoblauchzehen dabei und kauen eine nach der anderen. Es öffnet die Arterien und fördert die Durchblutung für die Höhe.
Wieder vorbei an den Landslide-Areas.
Hier eine etwas drastischere Perspektive, um das Gefälle besser nachzuvollziehen.
Am Base Camp wieder angekommen, stärken wir uns schnell, schnappen unsere restlichen Sachen und laufen zurück nach Shree Karka. In der Lodge ist es sehr voll. Wie schlagartig macht sich wohl der Beginn der High Season Anfang Oktober bemerkbar.
So mussten wir diese Nacht mit zwei weiteren Zimmerlosen im „Sunroom“, wie sich der Aufenthaltsraum nannte, schlafen. Die schiefen Bretter, auf denen anscheinend nur mein Schlafsack lag, spürte ich gute drei Tage lang bei jedem Atemzug im Rücken. Am Abend lernten wir Angela und Marco kennen, wir waren gleich auf einer Wellenlänge, vielleicht hat es an einem gemeinsamen Hobby gelegen, das Radfahren. Auf jedenfall amüsierten wir uns prächtig. Wir ziehen vor Ihrer Leistung beide den Hut hab, denn Sie sind mit dem Rad unterwegs. Und unterwegs heißt in ihrem Fall oft „tragen“, nicht „schieben“ geschweige denn „fahren“. Auf unseren nächsten folgenden Etappen reisten wir ein paar Tage gemeinsam mit Ihnen. Aber dazu mehr im nächsten Kapitel…
Letzter Blick ins Tal von Manang, das wir vor ein paar Tagen noch durchquerten.
Das Wetter war immer auf unserer Seite, der Pass kann also kommen…
Anna 31. Oktober 2017
Diana, lass dir nix einreden, die Handschuhe sind toll!
Peter 10. November 2017
HalloDiana,das sind wirklich wunderbare Bilder u.Euere Berichte sind einsame Klasse.Macht weiter soetwas erlebt man vielleicht nur einmal im Leben.Einfach .TRAUMHAFT.Konnte leider bei Deinem letzten Spinning nicht dabei ein.
Ulla & Franz 28. November 2017
Liebe Diana und
Das sind ja traumhafte schöne Bilder.
Bewundernswert wie ihr beide dies bewandert und erklimmt.“
Weiterhin schöne gemeinsame Reise. Grüße aus Mannheim ☕️😘🍀Ulla und Franz