Adventure Book

an adventure story

Havanna

Havanna, 2. Januar 2018.

Nach insgesamt 44 Stunden Flug und Kurzaufenthalt in der Türkei sind wir also in Kuba gelandet. Von Müdigkeit keine Spur. Gewappnet mit den Informationen, wie man mit dem Local Bus statt mit dem Taxi nach Havanna Zentrum kommt, stiefeln wir raus und erstmal direkt zur ersten Cadeca – Casa de Cambio, also Wechselstube. Hier tauschten wir unser Startkapital an EUROS in CUC um. (1 CUC entspricht ungefährt 1 USD). Wie wir überall gelesen haben, ist es ungünstig, Dollar zu tauschen, da hier einfach mal 10 bis 11 % Gebühr drauf geschlagen werden 😉 Also haben wir in Vietnam noch ein paar Dong in EUR getauscht.
An der 2. Cadeca am kleinen Flughafen in Havanna, die sich dann im ersten Stock befindet, wollten wir dann ein paar CUC in CUP tauschen. CUP ist der Peso cubano, oder die Moneda Nacional (nationale Währung). Die Bezeichnung „nationale Währung“ für den CUP, wie man es so oft liest, ist meiner Meinung nach etwas irre führend, denn die Kubaner müssen in den meisten Geschäften und Lokalen ebenso mit CUC zahlen, weil hier einfach nur CUC akzeptiert werden. Und entgegen vieler Aussagen, dass Touristen keine Möglichkeit haben, mit CUP zu zahlen, haben wir recht häufig mit CUP gezahlt. Möglich dass vorhandene Spanischkenntnisse dies vereinfachen. 1 CUC wird generell mit einer Tauschrate zwischen 23 bis 25 CUP gehandelt.
In jedem Fall wurden wir hier direkt mit dem konfrontiert, womit man sich auf Kuba ständig und täglich auseinander setzen muss: es gibt nur eine begrenzte Menge von etwas am Tag oder in der Woche, wenn überhaupt. Und wenn es alle ist, dann ist es eben alle. CUP waren alle, mussten wir also in Havanna tauschen.

Wir gingen weiter zu der Stelle, an der üblicherweise ein Bus hält, wie wir von der netten Dame des Infocenters im Flughafengebäude erfahren haben. Und stolperten direkt weiter ins nächste Abenteuer für diesen Tag. Dieser Bus sollte uns zur Avenida de Boyeros fahren, an der wir dann in den P12 umsteigen mussten in Richtung Plaza de la Fraternidad (Platz der Bruderschaft), in dessen Nähe unsere Casa particular lag. „Casa particular“ heißt so viel wie „privates“ oder „eigenes Haus“: über den Erwerb einer staatlichen Lizenz dürfen Privatleute Zimmer in ihrem Haus vermieten. Es gibt aber mittlerweile auch immer mehr Hostels.
An der inoffiziellen Bushaltestelle tummelten sich ein Haufen weiterer meist jüngerer Reisender, in der Regel mit einem ähnlich gearteten Rucksack wie wir beide. Der Bus war wohl eben weg, also hatten wir bis zum nächsten eine Stunde Zeit, um uns zu unterhalten. Angeblich könne man den Bus nur in CUP bezahlen, was ich nicht glaubte, aber egal, zahlt man eben einen CUC und der Busfahrer freut sich. Denn pro Person kostet ein Ticket 5 CUP, also ca. 1/5 CUC. Win Win für beide, denn ein Taxi bekommt man nach Havanna Zentrum nicht unter 25 CUC.
Plötzlich kam eine Griechin auf uns zu, die auch Spanisch sprach. Die nette Kubanerin, die nebenan auf einer Bank saß, hätte ihr eben 10 CUP geschenkt, damit sie für uns alle Rucksackreisenden Fahrkarten kaufen könne. Wow, was für ein Emfpang! Als der Bus dann irgendwann kam, quetschten wir uns hinein, um uns nach ca. 5 min wieder heraus zu schälen und in den nächsten Bus zu drängen, natürlich ebenfalls hoffnungslos überfüllt. Die kubanischen Mamas um uns herum schoben uns liebevoll in kleine Freiräume, die wohl auch nur sie selbst zwischen den Menschenmassen entdeckten. Mehrfach wurden wir davor gewarnt, die Rucksäcke hinten auf dem Rücken zu tragen, schon gar nicht wenn man direkt an der Bustür steht. Geht diese auf, schlitzen sie einem von außen wohl schon mal den Rucksack auf. Abgesehen davon, dass das mit je zwei Rucksäcken unmöglich war, muss man hier direkt sagen, dass wir uns nie unsicher gefühlt haben auf Kuba! Auch nicht abends im Dunkeln, obgleich man in Havanna nicht unbedingt durch jede dunkle Gasse spazieren muss. So wie überall eben auch.
Schnell kam ich mit einem jungen Kubaner ins Gespräch, er gab uns einige Empfehlungen und bot sich auch als Stadtführer an. Auch hier liest man so einiges: man soll sich nicht von jedem anquatschen lassen, viele sind Schlepper, die Dich zur Casa oder zum Restaurant des Bruders oder Cousins oder Freundes bringen wollen – wobei hier jeder Freund oder Bruder ist – , wo sie dann Provision kassieren. Hier sollte man tatsächlich nicht blauäugig sein, dies kommt häufiger vor. Uns ist es selbst nicht passiert, wir haben aber von solchen Erfahrungsberichten gehört. Mein Gesprächspartner gab mir seine Nummer, und als er an der gleichen Stelle wir wir ausstiegen, dachte ich schon: oh nein, wie bekommen wir den jetzt auf nette Art wieder los. Er erwies sich jedoch als seriös, verabschiedete sich und bat uns, anzurufen, sollten wir etwas brauchen. Es gibt eben immer solche und solche.



In dieser Bodega soll Hemingway einst seinen ersten Mojito getrunken haben. Die Legende wirkt: das Lokal platzt immer aus allen Nähten, die Schlange geht weit hinaus bis auf die Straße! 


Da standen wir nun, mitten in Havanna Centro (das Viertel heißt auch so: Centro, zu Deutsch Zentrum). Es waren laut Karte nur ein paar Blocks bis zu unserer Unterkunft. Wir überquerten die breite Straße, und mit jedem weiteren Schritt hing unsere Kinnlade ein klein wenig weiter unten: wir staunten, und waren offen gestanden auch ein wenig erschrocken.
Ich hatte eingangs viel über Kuba gelesen, sowie den einen oder anderen Bericht gesehen, sodass ich keineswegs eine irrationale Traumwelt à la Hochglanzprospekt erwartete. Aber mit diesem Anblick hatten wir nicht gerechnet.
Ein Bild der Zerstörung bot sich uns, als wir von der Hauptstraße in die Nebenstraßen einbogen. Die Gebäude heruntergekommen, kaputt, verwahrlost. Ebenso die Straßen. Müll lag überall um uns herum. Man konnte meinen, bis gestern habe hier noch der Krieg gewütet. Wo um alles in der Welt sind wir hier bloß gelandet!? Ist es das Viertel, die Ecke, oder ist ganz Havanna so? Fehlten nur noch ein paar mehr Menschen, Kühe und Mopeds auf der Straße, und man hätte meinen können, man sei in Indien!
Wir finden unsere Casa particular, der Eingang in einer ebenso zerfressenen Hausfassade, schräg gegenüber ein großer Müllberg. Von der Türklinke ist von innen vor langer Zeit mal die Hälfte abgebrochen. Dahinter verbarg sich ein weitläufiger verwinkelter Innenhof, von dem mehrere Räume abgingen. Kein Schmuckstück, aber an sich in Ordnung. Ein altes, einfaches Gebäude, aber das Ehepaar und deren Sohn, welches unsere Gastgeber waren, konnten dies mit ihrer Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft immens aufwerten. Unser Zimmer war zwar zugegebenermaßen ein – wenn auch großes – aber dunkles Loch, aus der Dusche kam kaum Wasser, und wenn war es kalt. Dennoch ließ es sich hier im Nachhinein ganz gut aushalten. Phänomenal war hinsbesondere Daria’s großartiges Frühstück, das wir so in ganz Kuba nicht mehr bekommen sollten!


Unser Wohnzimmer, durch das wir in unser Gemach gelangten.

Die nächste Aktion hieß erstmal Wasser kaufen. Ich hatte bereits gelesen, dass es teils schwierig sei, an Trinkwasser zu gelangen, und hatte bereits in Vietnam die restlichen Micropur Tabletten wieder herausgekramt. Jorge, der Sohn unseres Hauses, nahm uns mit zu den nahe gelegenen „Supermärkten“. Man muss wissen, Supermärkte gibt es so, wie wir sie kennen, auf Kuba nicht. Darauf war ich theoretisch zwar vorbereitet, aber live ist dies doch nochmal eine andere Nummer. Wir waren in drei „tiendas„, also Shops, um Wasser zu finden.

In solchen Shops findet man meist nur einige Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Tomatensoße in Dosen, vielleicht Kekse, in größeren Shops auch überraschend viel Waschpulver und Putzmittel. Drogeriesachen findet man sehr selten und meist nur in speziellen tiendas (Tante Emmaladen).

Reis haben wir nirgends zu kaufen gesehen, obwohl es neben Bohnen, Maniok und Yukka das meist gegessene Nahrungsmittel hier ist. Ersteht man dann wohl auf einem Markt. Milchprodukte und Fleisch gibt es wieder in extra tiendas. Es gibt von allem, wenn überhaupt, gefühlt auf ganz Kuba nur eine Sorte: 1 Sorte Milch, 1 Sorte Käse – in Varadero fanden wir 2 – eine Sorte Pressschinken – usw. Sogar Naturjoghurt hatten wir irgendwann einmal gefunden. (Aber er schmeckt nach Pappe, also lieber nicht kaufen. Habe ihn dann als Feuchtigkeitsmaske verwendet 🙂 Die Regale sind in der Regel halb leer. Fast überall gibt es einen Türsteher. Zum einen, damit der Laden nicht zu voll wird, und man so besser überwachen kann, ob nicht ein Kunde etwas in seiner Tasche oder Jacke verschwinden lässt. Zum anderen, um beim Herausgehen den Kassenbeleg mit dem abzugleichen, was man in seiner Tüte hat. Auch bei Banken und den meisten Restaurants, gefühlt überall gibt es Türsteher. Und sie nehmen ihren Job sehr ernst, bisweilen ein wenig zu ernst. Vielleicht ist es aber auch eine Maßnahme, um mehrere Jobs zu schaffen. Man muss sich in der Regel also anstellen, um in einen Laden zu gelangen, an der Käse- oder Fleischtheke muss man sich dann nochmal anstellen. Um dann ggf. vorne angelangt feststellen oder erfahren zu müssen, dass das, weshalb man den ganzen Aufwand betreibt, heute bereits leider alle ist.
Nach einer guten Stunde hatten wir dann Wasser gekauft.



Zu Christus Füßen!



Drei Tage hatten wir für Havanna, bevor es weiterging nach Vinales. Vollständig heißt Havanna (auf Spanisch La Habana) „Villa de San Cristóbal de la Habana“. Mit rund 2,10 Mio. Einwohnern ist es nicht wirklich klein, dennoch machten wir unsere Erkundungen zu Fuß – wie so oft 😉 Havanna wurde 1519 aufgrund seiner strategisch günstigen Lage von den Spaniern gegründet und war Dreh- und Angelpunkt für weitere Eroberungen in Süd- bis hin nach Nordamerika.
Unsere Casa lag wie gesagt im Centro und damit relativ zentral. In nicht mal 5 min waren wir am Capitol, und bald darauf befand man sich bereits im Centro Viejo, oder auch Centro Historico. Also in der Altstadt. Und die ist wirklich schön. Wenn man uns und unsere zwei Reisebegleiter fragt, die wir während unseres Aufenthaltes in Istanbul kennengelernt haben, ist dies eigentlich auch der einzig wirklich schöne Teil Havannas. Besonders pittoresk und ansprechend ist die Calle Obispo, die Richtung Hafen führt, und die Gegend um die Plaza Vieja sowie der Platz selbst. Nicht umsonst ist die Altstadt Havannas UNESCO Weltkulturerbe.


Chinatown von Havanna und zugleich Eingangstor zu Altstadt. 

Der Malecón, wie jede Uferpromenade auf Spanisch heißt, ist auf Höhe der Altstadt noch ganz ansehnlich. Über einen Tunnel gelangt man zum Castillo de los Tres Reyes del Morro, natürlich damals auch von den Spaniern erbaut. Direkt daneben schließt sich die „Fortaleza de San Carlos de la Cabaña“ an, oder auch kurz „La Cabaña“ (spanisch für „Die Hütte“). Hierbei handelt es sich um eine zehn Hektar große bastionsartige Festungsanlage. Jeden Abend findet hier „El cañonazo de las nueve“ statt, die Kanonenschusszeremonie. Punkt 21 Uhr feuern Soldaten der Revolutionären Streitkräfte Kubas einen Kanonenschuss ab. Dabei tragen sie die Uniformen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Seit der Kolonialzeit wird diese Tradition gepflegt und wurde nur im Zweiten Weltkrieg unterbrochen, da Schießpulver gespart werden musste. Der Schuss sollte einst den Einwohnern Havannas die Öffnung und Schließung der Stadttore ankündigen. Eigentlich wollten wir uns das auch einmal anschauen, allerdings waren wir bereits nachmittags dort. Bis abends warten war keine Option, und irgendwie sind wir dann nicht nochmal extra hin. War uns vielleicht doch nicht so überaus wichtig 😉
Dieser nette Teil des recht langen Malecóns (Uferpromenade) ist sehr kurz. Insgesamt zieht sich die Promenade entlang der Küste und der gesamten Stadt. Wir sind den Part von der Altstadt über Centro nach Vedado gelaufen, dem eher neueren und modernen Teil Havannas. Und ja, außer der Altstadt kann man tatsächlich sagen, dass der größte Teil Havannas schlichtweg kaputt, heruntergekommen und echt nicht schön ist. Interessant, aber schön kann man wirklich nicht sagen. Entlang des Malecóns lassen sich extreme Gegensätze beobachten: einmal hängen aus den Bauruinen komplette Eisenstäbe und -gitter heraus, dazwischen taucht vereinzelt mal wieder ein etwas hergerichtetes Gebäude. Vermutlich einfach mal etwas Farbe drüber geklatscht. Ich habe vergebens nach dem gesucht, was diejenigen sehen, die so romantisch verklärt über den ach so wunderschönen Malecon in Havanna erzählen und schreiben. Vermutlich war dem mal so. Wir zumindest und diejenigen, die wir gefragt haben, waren eher enttäuscht. Nun ja, Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Jedenfalls glich das hier vielmehr einer größtenteils ausgestorbenen Geisterstadt, zuweilen war es fast ein bisschen unheimlich. Auch die drei- oder vierspurige Straße – ich weiß es nicht mehr – war ziemlich kaputt und zerschlissen, und nur sehr wenig befahren. Zumindest als wir dort entlang spazierten.


Vedado, der modernere Stadtteil, soll laut Habanieros selbst sehr hübsch sein. Unser persönlicher Geschmack ist da wohl ein wenig anders geartet.
Unsere Tour führte uns natürlich auch zum Plaza de La Revolución. Diesem Platz wurden nicht nur schlappe 72.000 Quadratmeter gewidmet, sondern gleich ein gesamter Stadtbezirk. Es ist überraschungsfrei der größte innerstädtische Platz Havannas, auf dem auch heute immer noch offizielle politische Kundgebungen statt finden. In seiner Mitte thront das José Martí Denkmal, ein ziemlich häßlicher Turm, der mit über 100 m das größte Bauwerk Havannas ist. José Julián Martí y Pérez war ein kubanischer Poet und Schriftsteller. Er gilt als kubanischer Nationalheld und ist Symbol für den Unabhängigkeitskampf Kubas. Bekannter dürfte die Plaza de La Revolución wohl aufgrund der Abbildung des Che Guevara Gesichts sein, welches einen in riesiger Größe vom gegenüber liegenden kubanischen Innenministerium anlächelt. Darunter prangt sein legendärer Spruch „Hasta La Victoria siempre“: immer bis zum Sieg! Direkt nebendran (auf dem Informationsministerium) ist Camilo Cienfuegos zu sehen. Er war neben Ernesto „Che“ Guevara, Fidel und Raúl Castro einer der führenden Revolutionäre und Guerillaführer der „Bewegung des 26. Juli“ bzw. der Rebellenarmee gegen das Regime.
Der Charakter des „Che“ wird überaus kontrovers gesehen. In einem recht offenen Gespräch erklärte uns ein Kubaner, dass diejenigen, welche die Geschichte nicht so wirklich kennen, ihn verehren, für sie ist er ein Held. Diejenigen jedoch, welche die Geschichte besser kennen, hassen ihn. Für sie ist er nichts weiter als ein Mörder. Hierzu muss man vielleicht wissen, dass in Kuba die Geschichtsbücher angeblich zensiert und geschwärzt sind. Ich hätte nicht gedacht, dass es so etwas heutzutage tatsächlich noch gibt (außer vielleicht in Nordkorea?).






Weiter ging es vorbei an einem großen Krankenhauskomplex, in das man auch hofft, nicht eingeliefert zu werden, und an riesigen zerfallenen und verlassenen Anlagen, die wir teilweise als Sportanlagen identifiziert haben. Sie schienen aus mondäneren Zeiten zu stammen, heute aber sehen sie einfach furchtbar und gruselig aus. Riesige Grünflächen liegen immer mal wieder dazwischen, die einst wohl mal Parks gewesen sein sollen. Heute dienen sie offensichtlich als Müllhalden. Wir waren froh, als wir wieder in der Altstadt waren, und hielten uns dann auch überwiegend dort auf.


In der Altstadt lauscht man am besten den kubanischen Klängen…


… bevor es dann für uns weiter nach Vinales geht.

Ganz liebe Grüße an die Heimat, Diana und Marcel

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