PUNTA ARENAS – SINNFLUT AN DER MAGELLANSTRASSE
Wir landeten am frühen Vormittag am relativ beschaulichen Flughafen in Punta Arenas, von wo aus wir ein Uber zu unserem AirBnB nahmen. Irgendwie war es in Punta Arenas einfacher, ein AirBnB für eine Nacht zu finden als ein Hostel. Der Plan war, den restlichen Tag ein wenig in Punta Arenas herumzuspazieren oder Räder zu leihen und die Küste abzufahren, ein Stück an der Magellanstrasse entlang, die Atlantik und Pazifik miteinander verbindet. Aber wie das mit Plänen immer so ist …
Unsere Gastgeberin, eine überaus nette Dame mittleren Alters, erwartete uns bereits. Das Haus befand sich in einer ruhigen Wohngegend, ca. 30 min zu Fuss vom Zentrum entfernt. Wenn wir noch was essen oder einkaufen gehen wollen, sollten wir das gleich tun, es würde nämlich bald ganz fürchterlich anfangen zu regnen. Na prima, Adieu Magellanstraße! Im Megamarkt angelangt warteten wir gefühlt 1 Stunde an der Kasse, während die Schlangen immer länger wurden. Aufgrund des starken Windes und aufkommenden Sturmes sei das Kassensystem ausgefallen. Was ist das denn für eine Begründung!? Dachten wir halb belustigt halb wütend. Da wussten wir noch nicht, dass wir diese „Ausrede“ in den nächsten Wochen noch häufiger zu hören bekommen würden: in ganz Patagonien scheint der Wind Ursache vor allen technischen Übels zu sein! Auf dem Rückweg vom Supermarkt erhielten wir dann schon die erste Dusche. Sinnflutartig brachen die Wassermassen aus dicken grauen Wolken, in Windeseile waren sämtliche Straßen überflutet. Unsere Schirme tanzten wie lächerliche Marionetten im Wind und störten mehr als dass sie halfen. Mit einer Ladung Wasser in den Turnschuhen kamen wir wieder „nach Hause“. Wie wunderbar Butangas-Heizöfen doch sein können, in null Komma nichts hatten wir Sauna in unserer Bude ;-). Zu dritt verbrachten wir einen gemütlichen Abend während draußen der Sturm tobte: in den Nachrichten erfuhren wir, dass wohl gerade die Regenmenge eines gesamten durchschnittlichen Herbstes an einem einzigen Tag herunter kam. Die Region kämpfte gegen überflutete Straßen und Keller sowie zahlreiche Stromausfälle. Bienvenidos en Patagonia, das kann ja noch amüsant werden! Wir beschlossen, das Wetterphänomen nicht auszusitzen und am Folgetag früh morgens direkt mit dem Bus nach Puerto Natales weiter zu fahren.
PUERTO NATALES – DAS TOR ZUM TORRES DEL PAINE
Das Wort “Paine” stammt von der Stammessprache der Tehuelchen-Indianer und heißt so viel wie „himmelblau“. Torres del Paine heißt also „Türme des blauen Himmels“. Wir hatten Glück: so turbulent und stürmisch der Empfang in Patagonien auch war, wir sollten für unsere restliche Zeit hier mit herrlichem Wetter und immerzu strahlendem Himmelblau belohnt werden.
Puerto Natales ist ein kleines verschlafenes Örtchen mit einigen Restaurants und natürlich überproportional vielen Outdoorgeschäften. Zur Hauptsaison ist hier sicherlich alles etwas belebter. Zum Haupteingang des Nationalparkes Torres del Paine sind es nochmal gute 2 Stunden mit dem Bus. Möchte man zwecks eines Tagesaufenthaltes den ersten Bus um 7 morgens nehmen, ist es ratsam, eine Unterkunft nahe des Busterminals zu wählen. Wir stiefelten in ein nahegelegenes Hostel, und dank Marcel’s Verhandlungsgeschick ergatterten wir ein Viererzimmer zu zweit zum halben Preis. Es war sehr klein und einfach, aber unglaublich nett und am wichtigsten: kuschelig warm!!
TORRES DEL PAINE
Meine online Recherche zum Torres del Paine hatte Folgendes ergeben:
- Die Klassiker sind der W- und der O-Trek. Die Namen kommen daher, dass die zurückgelegten Wege auf der Karte einmal eben wie ein W und einmal wie ein O, ein Circuit also, aussehen.
- Der W-Trek dauert 4 – 5 Tage, der O-Trek um die 8 oder 9. Voraussetzung dabei ist natürlich, dass man im Park übernachtet. Entweder in Refugios, das sind mehr oder weniger Luxushotels, oder auf Campingplätzen. Die Campingplätzen sind natürlich um einiges günstiger, es gibt auch 2 gebührenfreie (von denen 2017/18 einer geschlossen war). In der Nebensaison sind generell ein paar Unterkünfte zu, da gewisse Teilstrecken auch gesperrt sind.
- Es wird überall dazu geraten, Unterkünfte im Voraus zu buchen, da die Kapazitäten natürlich begrenzt sind. Im Voraus buchen bedeutet, am besten 6 Monate! So zumindest liest man.
Fakt ist aber, dass eine Buchung über die relativ junge Online-Plattform (ca. 2 Jahre alt) schlichtweg nicht möglich ist. Nach mehrmaligen Versuchen haben wir es aufgegeben. Etwaige Erfahrungsberichte live und online bestätigten das Dilemma. Man bucht also entweder über eine Agentur, was für uns nicht in Frage kam, oder man fährt mal auf gut Glück hin und sieht, was passiert. In der Nebensaison oder am Ende der Hauptsaison ist es aber durchaus möglich, vor Ort auch kurzfristig noch etwas zu bekommen.
Campingausrüstung kann man sich entweder ausleihen oder selber mitbringen. Es gibt auch die Möglichkeit, alles in einem Paket zu buchen: d.h. es ist dann für einen aufgebaut, sobald man am Campingplatz ankommt. Das ist dann so die mittelluxuriöse Alternative.
Buchen sollte man aber, wenn man im Park übernachten möchte! Am Haupteingang wird gefragt und strikt dokumentiert, wie viele Tage man bleibt, ob und wo man übernachtet, oder ob man Tagesbesuche macht. CONAF ist so etwas wie die Forstverwaltung für den Park. Hier kann man auch sein Ticket im Vorfeld erwerben bzw. sich registrieren lassen. Mit dem Ticket darf man an 3 aufeinanderfolgenden Tagen in den Park hinein (man kann also 3 Tagesauflüge hintereinander machen). Macht man einen Trek, darf man natürlich so lange drin bleiben, bis man den Trek beendet hat.
Es gibt 2 private Gesellschaften, die sich den Park mehr oder weniger aufteilen: Vertice und Fantástico Sur. Die beiden reden aber nicht miteinander (Stand 2018). D.h., will man einen der beiden Treks machen, muss man einmal hier und einmal dorthin, um seine Unterkünfte zu buchen. Die Trennung der Aufteilung verläuft nämlich ungefähr einmal quer durch die Mitte des Parks, d.h. die Hälfte des W oder O Treks „gehört“ Fantástico Sur, die andere Vertice. Man kommt als nicht drum herum 😉
Wir haben uns für zwei Tagesausflüge entschieden. So liefen wir am 1. Tag den östlichen Teil des W-Treks entlang, dessen Highlight die Sicht auf die Tres Torres ist, und am 2. Tag den westlichen Teil des W-Treks, entlang am Lago Grey, bis man dem Gletscher Grey fast gegenüber steht.
TAG 1: MIRADOR TRES TORRES
Kurz vor 6 klingelte der Wecker, damit wir um 7 den ersten Bus von Puerto Natales zum Haupteingang des Torres del Paine erwischten. Dick eingepackt und mit Proviant ausgestattet kamen wir gegen 9 am Haupteingang an, am „Lago Amargo“. Hier zeigt man dann das Ticket, erhält Karten- und Infomaterial sowie eine kurze Videoanweisung, wie man sich im Park zu verhalten hat, z.B. kein offenes Feuer an nicht dafür vorgesehen Stellen machen. Will man nun zum Mirador tres Torres, was auch unser Ziel für heute war, sollte man sich die restlichen 7 km mit einem weiteren Bus zum Ausgangspunkt fahren lassen. Denn auch bei strammem Schritt dauert Hin & Zurück mit Päuschen seine 8 Stunden, und will man nicht übernachten, muss man abends pünktlich wieder zur Abfahrt des Busses zurück sein.
Die Wanderung zu den 3 Türmen war zweifellos eines der Highlights in Patagonien. Sehr bunt und abwechslungsreich, bergauf und bergab und buchstäblich über Stock und Stein. Im Herbst färben sich Büsche und Bäume orange bis dunkelrot, sodass man herrlich bunte Farbteppiche überall um sich hat.
Die letzten 1 – 2 Stunden ging es kletternd steil bergauf über größere Geröllsteine. Der Wind wurde immer stärker. Der letzte Anstieg ist durchaus kräftezehrend, und ein wenig kamen wir uns vor wie in Nepal beim Aufstieg zum Tilicho Lake oder zum Pass: er muss doch dort jetzt irgendwo sein, bald ist es geschafft. Und wieder kommt die nächste Windung oder Bergkuppe, die es noch zu überwinden gilt. Und plötzlich steht man dann davor:
Pünktlich sitzen wir im Bus zurück nach Puerto Natales, wo wir spät abends gegen halb 11 ankommen. Wir kochten uns noch schnell etwas Warmes in der Mini-Küche und fielen nach einer richtig schönen heißen Dusche müde ins Bett. Am nächsten Tag folgte ja direkt der 2. Tagesausflug in den Park.Stolz tauchen die Tres Torres vor einem empor.
TAG 2: LAGO GREY
Wieder kommen wir mit dem ersten Bus im Park an, müssen diesmal aber weiter fahren als Lago Amargo, nämlich nach Pudeto. Dort wartet ein Catamaran, das uns in 30 min über den Lago Pehoe rüber zum Paine Grande bringt. Hier befindet sich der Ausgangspunkt für die Wanderung zum Gletscher Grey. Heute windet es deutlich mehr als am Tag zuvor und der Himmel ist nicht ganz so blau. Bald läuft man am Wasser entlang, am Lago Grey, und die Landschaft ist eher baumarm, sodass man den Winden mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert ist. Je näher man dem Gletscher kommt, desto eisiger schneidet der Wind einem ins Gesicht. Uns fällt auf, wie trist der Wald um uns herum aussieht, bzw. das, was von ihm übrig geblieben ist. Wie abgebrannt: schwarz-weiße tote Bäume, wie trockenes Geäst ohne Blätter, auf einem ebenso so schwarz-weißen Untergrund. Es gab zwei große Brände im Park, 2005 und der letzte 2011. Hierbei wurde eine Fläche von ca. 15 qm zerstört. Beide Male waren unachtsame Besucher der Grund. Man erzählt, 2011 handelte es sich um einen israelischen Besucher, der sein benutztes Toilettenpapier in einer leeren Thunfischdose anzünden wollte, was ja dann offensichtlich missglückt ist. Er soll 1 Monat Arrest erhalten haben und eine Strafe von rund 15.000 Dollar gezahlt haben. Was auch immer es war, der Wald hat sich bis heute nicht davon erholt.
Glücklich über die neuen Eindrücke und zufrieden, die Wanderung zu den Tres Torres am schöneren der beiden Tage gemacht zu haben, wollten wir am Folgetag eigentlich weiter fahren über die Grenze nach Argentinien nach El Calafate, zum nächsten Gletscher. Zu DEM GLETSCHER: dem Perito Moreno. Den hatte ich bis dato nämlich auch noch nicht gesehen, trotz mehrfacher längerer Aufenthalte in Argentinien! Hier machte uns die Nebensaison das erste Mal eine kleinen Strich durch die Rechnung: von wegen Nebensaison und deshalb muss man nicht vorbuchen!! Ein fataler Fehler, das Gegenteil ist der Fall, wie wir später nochmal böse zu spüren bekommen werden. Diesmal nutzten wir aber einfach nochmal zwei gemütliche Tage zum Ausruhen, Schreiben und weiter Planen. Und tatsächlich fanden wir in Puerto Natales eine der besten Pizza’s, die zumindest ich je gegessen habe 😉